Führung
„Fast 20 Leute haben seit letztem Jahr gekündigt. Gekommen sind nicht viele, nur 4. Wir sind ständig unterbesetzt.“
– Natalia, Intensivpflegerin, 38 Jahre
Mitarbeitende, die sich in ihrem beruflichen Umfeld wohlfühlen, sind motivierter, engagierter und bleiben ihrem Arbeitgeber länger treu.
Das senkt sowohl die Fluktuation als auch den Krankenstand. Fühlen sich Mitarbeitende hingegen in ihren Kompetenzen oder Meinungen nicht wertgeschätzt, entstehen oft Resignation und „Dienst nach Vorschrift“. Gedanken wie „Meine Meinung zählt hier sowieso nicht, also spare ich mir den Einsatz“ können die Folge sein. Statt offener Kommunikation mit der Führungsebene kommt es zu Rückzug und innerer Kündigung – oft gefolgt vom tatsächlichen Wechsel des Arbeitgebers.
Wie können Führungskräfte also ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende sich sicher fühlen, auch schwierige Themen offen anzusprechen, ohne Probleme zu vertuschen oder herunterzuspielen?
Der Schlüssel liegt in einem Klima psychologischer Sicherheit.
Es gibt zahlreiche Führungsstile wie kooperative, dienende oder resiliente Führung, die alle ihre Berechtigung haben. Im Fokus dieses Beitrags stehen jedoch praxisnahe Ansätze für das Führungsverhalten, die gezielt psychologische Sicherheit schaffen und damit vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie eine stärkere Bindung der Mitarbeitenden fördern:
„Als meine Mutter krank wurde und ins Krankenhaus musste, begann für mich eine sehr schwere Zeit, insbesondere, weil ich weiterhin in einem Bereich arbeitete, in dem ich täglich mit schwierigenSchickaseln konfrontiert war. Unsere Stationsleitung bemerkte, dass etwas mit mir nicht stimmte und reagierte sorgt, sodass ich in dieser Phase entlastet wurde“
– Anna, Intensivpflegerin, 32 Jahre
Schaffen Sie Räume für echten Austausch:
Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, Wahrnehmungen und Meinungen. Diese Vielfalt kann herausfordernd sein, doch Ignorieren führt nicht zur Lösung. Für vertrauensvolle Zusammenarbeit sind regelmäßige Kommunikationsroutinen entscheidend, in denen zugehört, diskutiert und gemeinsame Lösungen gefunden werden.
Das können kurze tägliche Absprachen (Huddles) sein oder längere Termine für komplexe Themen, etwa um Missverständnisse der letzten Wochen aufzuarbeiten und Verbesserungen zu vereinbaren. Solche Treffen sollten verbindlich und regelmäßig stattfinden, idealerweise mit Führungskräften und multiprofessionellen Teams. Wechselnde Moderationen und Impulse, z. B. von Kolleg:innen anderer Teams, können neue Perspektiven eröffnen.
Auch Einzelgespräche sind wichtig: Führungskräfte sollten ihre Offenheit zeigen und aktiv Gesprächsangebote machen, um individuelle Anliegen aufzugreifen. Nur so bleibt ein nachhaltiger und guter Austausch gewährleistet.
Bieten Sie gezielte Unterstützung an:
Bei komplexen Aufgaben ist es hilfreich, wenn Führungskräfte nicht nur motivieren, sondern auch dort unterstützen, wo es nötig ist – ohne die Aufgabe aus der Hand zu nehmen oder Kontrollgefühle zu erzeugen. Signalisieren Sie, dass Sie als Sparrings-Partner:in zur Verfügung stehen, ohne sich aufzudrängen oder die Verantwortung an sich zu reißen. So fördern Sie Vertrauen und schaffen durch konstruktive Zusammenarbeit eine nachhaltige Basis für gegenseitigen Respekt.
Arbeiten Sie kontinuierlich an Ihrem Führungsverhalten:
Menschen haben unterschiedliche Erwartungen an Führung. Wenn Sie hören, dass Sie „zu dominant“ wirken, „andere einschüchtern“ oder „zu häufig ins Wort fallen“, kann es helfen, Ihre Redeanteile bewusst zu reduzieren, besser zuzuhören, gezielt Fragen zu stellen und andere Meinungen stärker einzubeziehen.
Umgekehrt kann bei Rückmeldungen wie „zu nett“ oder „zu nachgiebig“ mehr Klarheit hilfreich sein: Vermeiden Sie Weichmacher wie „könnte“ oder „vielleicht“ und fragen Sie konkret nach den Erwartungen Ihrer Mitarbeitenden – etwa nach klarer Interessenvertretung gegenüber der Klinikleitung.
Die größte Herausforderung bleibt, die Stimmung im Team täglich wahrzunehmen und Ihr Führungsverhalten flexibel darauf abzustimmen.